Kopierverfahren in den Vordergrund. Nur dadurch war es möglich, die steigenden
Anforderungen zu erfiillen.
la. Erst relativ spat hat das Bundesarchiv sich dagegen entschliessen können, ganze
Bestande auf Mikrofilmen zu publizieren, die kauflich erworben werden kön
nen. Zuerst batte man bereits vor dem Zweiten Weltkrieg in den USA erkannt,
dass die Möglichkeit, schriftliche Informationen mit fotografischen Verfahren
zu verkleinern und zu vervielfaltigen, eine revolutionarere Veranderung in der
Vermittlung von Informationen bedeuten könne als die Erfindung des Buch-
drucks und sich daraus Folgen für die Archive ergeben könnten. Dadurch lasst
sich der Anspruch der wissenschaftlichen Benutzer erfiillen, wichtige Quellen
für ihre Forschungen auch ausserhalb der Archive standig zur Verfügung zu
haben und nicht auf gedruckte Editionen warten zu müssen, die nur langsam
voranschreiten, hohe Kosten erfordern und nur unverhaltnismassig kleine Teile
der vorhandenen Informationen bieten. Diese Auffassung setzte sich jedoch
erst allgemeiner durch, nachdem der Ausserordentliche internationalen Archiv-
kongress in Washington 1966 und der 6. Internaitonale Archivkongress in Ma
drid 1968 deutlich gemacht hatten, dass die "Publikation ganzer Bestande auf
Mikrofilm und die Herstellung van Kopien, die den Forschern frei zuganglich
sind, das wirksamste, schnellste und wirtschaftlichste Mittel ist, grosseren Zu-
gang zu den Archiven zu fördern".
Für das Bundesarchiv bestand allerdings insofern noch eine besondere Lage,
als ein grosser Teil seiner Bestande nach 1945 in den USA gewesen und dort
verfilmt worden war. Jedermann konnte die Filme in den National Archives
kaufen. Warum sollten wir also den Rest nicht auch anfangen, Interessenten auf
Film zuganglich zu machen. Wir folgten dem Beispiel der Archive von 23 ande
ren Landern und bieten die Bestande auf 35 mm Rollf ilm an. In der Regel haben
die Filme eine Lange von 30 m und geben bis zu 2 400 Seiten Text wieder.
Sie werden als Diazofilmkopien von Silberfilmmutterkopien, die bei der Siche-
rungsverfilmung angefertigt wurden, auf einem Ozakopgerat automatisch mit
geringen Kosten hergestellt, die bei durchschnittlich 3 Pfennig je Seite liegen.
Der Rollfilm bietet allerdings insofern Schwierigkeiten, als gesuchte Informa
tionen nicht rasch zu finden sind. Benutzer beklagen sich nicht seiten, dass sie
auf der Suche nach einem bestimmten Dokument einen für sie uninteressanten
Teil des Films im Lesegerat betrachten müssen. Ich glaube, dass der Absatz der
Filme dadurch beeintrachtigt wird.
Nun gibt er Verfahren, durch eine automatische Zahlung der unbelichteten
Zwischenraume zwischen den einzelnen Aufnahmen oder durch eine Codierung
bei der Aufnahme, die vom Lesegerat erkannt werden kann, die Ansteuerung
bestimmter Stellen im Film zu ermöglichen. Die Inhaltsbeschreibungen zu den
Filmen müssen dann lediglich angeben, durch welche Position oder unter wel-
chem Code die verschiedenen darauf wiedergegebenen Dokumente, Aktenbande
oder anderen Archivalieneinheiten identifiziert werden können. Elektronische
Sucheinrichtungen sind sogar in der Lage, aus einer Vielzahl gespeicherter
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Filme einzelne Dokumente in wenigen Sekunden herauszusuchen und auf einen
Bildschirm zu projezieren.
Die Kosten für derartige Verfahren sind jedoch unverhaltnismassig hoch, und
kaum ein Archivkunde wird über Einrichtungen verfügen, die so ausgerüstet
sind, dass er von den gebotenen Selektionsmoglichkeiten Gebrauch machen
kann. Um Informationen rasch wiederzufinden, bietet aber auch der Mikro-
planfilm in der Form des Microfiche dem Rollfilm überlegene Möglichkeiten.
Sie wissen, dass jedes Fiche im Format 105 X 148 in normal lesbarer Schrift
eine Signatur oder eine Angabe über den Inhalt aufnehmen kann. Wenn Auf
nahmen auf 16 mm-Film die Basis bilden, kann damit z. B. bei einer Verkleine-
rung von 1 18 bis 1 24 der Inhalt von etwa 60 Seiten bezeichnet werden.
Ausserdem werden auf einem Rollfilm meist mehrere Archivalieneinheiten
wiedergegeben, die der Kaufer erwirbt, auch wenn ihn nur eine einzige davon
interessiert, wahrend Microfiches sich leicht so einrichten lassen, dass jedes,
eventuell mehrere zusammen, jeweils eine geschlossene Archivalieneinheit oder
auch nur sachlich zusammengehörige Teile davon enthalten. Schliesslich sind die
Kosten für die Duplizierung von Fiches niedriger.
Aus diesen Gründen wird das Bundesarchiv künftig Archivalien auch in Form
von Microfiches publizieren. Ich glaube allerdings nicht, dass es für die Interes
sen der Forschung ausreicht, die Archivalien so anzubieten, wie sie überliefert
sind. Neben die gedruckte Quellenedition muss die Edition ausgewahlter und
kommentierter Dokumente im Mikrofilm, d.h. Mikrofiche, treten. Wis wissen
alle, wie langwierig und wie teuer Texteditionen im Buchdruck inzwischen ge
worden sind. Ich kann mir vorstellen, dass sie auf weinige Schlüsseldokumente
beschrankt werden, z.B. auf die wesentlichen Tagesordnungspunkte von Sitzun-
gen einer Regierung oder eines Parteivorstands. Alle Akten und Briefe, die et-
was darüber aussagen und die der Herausgeber in seinen gelehrten Anmerkun-
gen verwertet, könnten im Film publiziert werden, damit jeder Forscher leicht
die Folgerungen nachprüfen kann, die der Herausgeber daraus gezogen hat.
Hier zeichnet sich eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Archiven ei-
nerseits, Forschungsinstituten und privaten Verlagen andererseits ab.
lb. Schon haben private Verleger begonnen, die Publikationsfilmprogramme der
Archive zu erganzen und Archivalien auf Microfiches anzubieten. Eine engli-
sche Firma liefert z.B. die Protokolle des Exekutiv-Komitees der Labour Party
aus deren Archiv und Akten anderer sozialistischer Organisationen auf zur Zeit
einigen hundert Fiches. Die Zusammenarbeit zwischen Archiven, die für die
Bereitstellung von Archivalien zur kommerziellen Verfilmung ggf. eine Ver-
gütung beanspruchen können, und Verlegern erscheint als eine bisher kaum
beachtete Möglichkeit, Archivalien durch Mikroformen zuganglich zu machen,
wenn den Archiven selbst die technischen, finanziellen oder personellen Voraus-
setzungen dafür fehlen oder sich bei Forschungsinstituten die Einsicht verbrei-
tet, dass Mikrofilmpublikationen wirtschaftlicher sind als die von ihnen bevor-
zugten langwierigen Quelleneditionen.
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