der Prüfdienste und Registraturbeamte, Leiter von Pressestellen u.a. Als vorteilhaft
erwies sich, dass das Staatsarchiv sich in den Richtlinien eine gewisse Einflussmög-
lichkeit auf die Auswahl von Archivpflegern offen gelassen hat. Es kann namlich
seine Zustimmung auch einmal versagen, wenn sich schon bei der ersten Fühlungs-
nahme ergibt, dass ein Bediensteter nicht für eine archivpflegerische Tatigkeit in
Betracht kommt.
Als Mangel muss empfunden werden, dass die Archivpfleger in manchen Fallen
nicht für langere Zeit tatig bleiben können, weil sie befördert oder versetzt werden
oder aus anderen Gründen ihre bisherige Stellung verlassen. Den empfindlichsten
Nachteil für die Mitwirkung der Archivpfleger bei dem Aussonderungsgeschaft
sehe ich darin, dass sie sozusagen im Nebenamt tatig werden müssen. Es erscheint
mir ein bedeutender Fortschritt, wenn es gelange, die Archivpfleger hauptamtlich
bei jeder Behörde einzusetzen. Dann ware zu erwarten, dass ihre Arbeit in der Be-
hördenleitung und bei den Sachbearbeitern mehr Anerkennung findet, ihre Mitwer-
kung intensiver wird.
Eine weitere Voruassetzung, damit die Erfassungs- und Aussonderungsarbeiten
erfolgreich werden, ist der standige Kontakt, der von seiten des Archivs gepflegt
werden muss. Es hat sich deshalb die Gewohnheit herausgebildet, dass der zustan-
dige Archivar möglichst haufig den jeweiligen Archivpfleger in der Behörde be-
sucht, mit ihm die anfallenden Probleme bespricht. Er lasst sich über Vorzüge und
Nachteile des jeweiligen Aussonderungsverfahrens und der Kataloge berichten. Er
verschafft sich in Registraturen ein Bild von dem Geschaftsgang, der Aktenhaltung,
der Behördenzustandigkeit. Auf diese Weise lasst sich auch entscheiden, ob nicht
einzelne untergeordnete Dienststellen aus der Archivpflege entlassen werden kön
nen, weil sich im Laufe der Zeit ergeben hat, dass sie doch kein archivwürdiges
Schriftgut produzieren. Nützlich ware es, den Archivpfleger mit den Aufgaben und
der Nützlichkeit eines Archivs vertraut zu machen. Eine kurze Einführung ist hier-
für nicht ausreichend. 1st doch den meisten Bediensteten die Arbeitsweise und der
Nutzen eines Archivs bisher fast unbekannt. Im ganzen ist jedoch zuzugeben, dass
die örtlichen Verhaltnisse in Hamburg den persönlichen Kontakt zwischen Archiv
und Archivpfleger sehr begünstigen.
2 Als nützlich und notwendig hat sich ferner ein Kontakt zwischen Archivar und
bewertenden Sachbearbeiter erwiesen. Natürlich ist es unmöglich, alle Sachbearbei-
ter aufzusuchen. Jedoch erlauben die Besuche bei dem Archivpfleger, gleichzeitig
mit einigen Sachbearbeitern zu sprechen. Auch hat das Archiv manchmal die Mög-
lichkeit gehabt, einigen Sachbearbeitern durch Vortrage oder Führungen im Archiv
das Verfahren für die Auswahl und Kassation von Massenakten zu erlautern. Das
ist auch mit den Archivpflegern geschehen.
Aus alledem geht hervor, dass der Archivar aus seiner sonst geübten Reserve her-
austreten und aktiv werden muss.
Der 'wunde Punkt' allerdings bleibt die subjektive Bewertung durch einen Nicht-
Fachmann. Die haufig gestellte Frage der Sachbearbeiter, was denn im konkreten
Fall als 'archivwürdig' bzw. 'historisch wertvoll' anzusehen sei, kann ausser mit
1 m
einem Hinweis auf die verschiedenartige Merkmalkataloge nur damit beantwor-
tet werden, dass diejenigen Akten, die ihm selbst als 'merkwürdig', als auffallig er-
schienen sind, zur Aufbewahrung geeignet seien.
3 Ich habe vorhin davon gesprochen, dass das Staatsarchiv darauf bedacht ge-
wesen ist, sich Möglichkeiten vorzubehalten, auf die Aussonderung selbst einzuwir-
ken. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die regelmassige Einsendung von 'Vorlaufigen
Verzeichnissen'wie sie nach den Richtlinien vorgeschrieben ist, ein geeignetes Mit-
tel darstellt, die Aussonderungstatigkeit zu kontrollieren und zu beeinflussen. Das
Archiv achtet darauf, ob überhaupt solche Vorlaufigen Verzeichnisse von allen
Behörden mit Archivpflegern regelmassig eingehen. Hieraus ist namlich zu erken
nen, ob eine Aussonderung in der Behörde von den Sachbearbeitern betrieben und
dass sie gleichmassig in allen Dienststellen vorgenommen wird. Das Archiv achtet
ferner auf den Inhalt dieser 'Vorlaufigen Verzeichnisse'. Die Sachbearbeiter müssen
den Grund für die Auswahl nach dem Katalog bei jeder ausgesonderten Akte an-
geben und in das 'Vorlaufige Verzeichnis' eintragen. Es lasst sich also für den Ar
chivar relativ einfach feststellen, wo Lücken in den Erfassungsvorschriften vorhan-
den sind, wo Schwerpunkte sich bilden, d.h. wo in auffalliger Dichte archivwürdiges
Schriftgut erfasst wird, wo in übertriebener Bewertung die Bedeutung der Schrift-
gutproduktion fehlerhaft eingeschatzt wird. In solchen Fallen kann dann das Ver
fahren, aber auch der Kriterienkatalog korrigiert und damit verbessert werden. Es
ist die Beobachtung gemacht worden, dass durch haufige Besuche und standige Stel-
lungnahmen zu den vorgelegten 'Vorlaufigen Verzeichnissen' den Archivpflegern
und auch den wertenden Sachbearbeitern das Gefühl gegeben wird, dass ihre Arbeit
beachtet und anerkannt wird. Reagiert das Staatsarchiv nicht auf diese Aeusserun-
gen oder stellt es seine Besuche ein, so lasst spürbar die archivpflegerische und Er-
fassungstatigkeit nach.
Das Staatsarchiv glaubt, dass das eben geschilderte Verfahren und die behördliche
Archivpflege-Organisation nur eine von vielen anderen Möglichkeiten ist, der Mas
senakten, die produziert werden, Herr zu werden, damit ein gefilterter Bestand spa
ter einmal in das Archiv gelangt, wo er dann endgültig aufbereitet und für die Ver-
waltung und Forschung nutzbar gemacht werden kann. Die bisherigen Ablieferun-
gen, die nach diesen Auswahlprinzipen erfolgt sind, lassen erkennen, dass eine sinn-
volle Auswahl an das Archiv gelangt, die die Kontinuitat vorhandener Bestande
wahrt. Die Erfahrungen des seit erwa 15 Jahren bestehenden, weiter entwickelten
und immer wieder verbesserten Systems sind so positiv, dass Hamburg diesen Weg
weitergehen wird.
Ill Aussonderungsverfahren beim Bund, in anderen Lander und in den Gemein-
den.
Es ware vermessen, hier zu schliessen und damit den Eindruck zu erwecken, es gabe
in der Bundesrepublik eigentlich nur ein System für die Bewaltigung der Aktenflut,
namlich das Hamburger System. Das ist natürlich nicht der Fall. Ich habe verspro-
chen, wenigstens einen Bliek auf die im Bund, in den Landern und Gemeinden
[399]