hoffentlich den Forderungen gerecht werden, die Verwaltung und Forschung zu- künftig an das Archiv stellen. 5 Wie soli die Aussonderung gehandhabt werden? Das Verfahren vollzieht sich vereinfacht dargestellt nach folgendem Schema: Der Sachbearbeiter kenntzeichnet die von ihm nach den Richtlinien und dem je- weiligen Kriterienkatalog als historisch wertvoll angesehene Akte ausserlich auf dem Aktendeckel. Er tragt diese Akte sofort in ein 'V orlaufiges Verzeichnis archiv- würdiger Aktenbestcinde' ein, das er bei sich führt. Die Akte selbst wandert nicht etwa gleich in das Archiv, sondern bleibt im Geschaftsgang, also in der Registrator und wird nach der Bearbeitung erst einmal in der Altregistratur der Behörde aufbe- wahrt bis zum Ablauf der eigentlichen Aufbewahrungsfrist. Die 'Vorlaufigen Ver- zeichnisse' der Sachbearbeiter dagegen werden in der Behörde zu bestimmten Ter- minen (ein- oder zweimal im Jahr) gesammelt und dem zustandigen Behörden- Archivpfleger vorgelegt, der sie nach Vorprüfung an das Staatsarchiv weiterleitet. An dieser Stelle muss nun über den eben erwahnten Behöiden-Archivpfleger ge- sprochen werden. Er ist eine Mittelsperson, die bei der Behörde eingesetzt wird. Eine Person, die eine Verbindung zwischen dem Sachbearbeiter und dem Archiv herstel len soil. Der Archivpfleger ist ein Bediensteter der Behörde, kein Archivar. Er wird von der Behörde ausgewahlt und bestellt. Vor der Bestellung allerdings wird die Zustimmung des Staatsarchivs eingeholt. Bei den Gerichten ist der Archivpfleger ein Richter, bei der Staatsanwaltschaft ein Staatsanwalt, bei den Verwaltungsbehörden meist ein Beamter des gehobenen Dienstes. Er übt die Tatigkeit als Archivpfleger im Nebenamt aus. Der Archivpfleger wird zwar kurz durch das Archiv in seine Auf- gaben eingeführt, jedoch erhalt er keine spezielle Ausbildung durch Archivare, die ihn auf seine Tatigkeit vorbereiteten. Welche Aufgaben hat nun der Archivpfleger? Er überwacht die Erfassung und Sicherung des historisch wertvollen Schriftgutes seiner Behörde und die spatere Ab- lieferung an das Staatsarchiv; er arbeitet an der Verbesserung der schon oft genann- ten Richtlinien mit, deren Ffauptteil die Kataloge sind (Positivlisten, Negativlisten, Allgemeine Kriterienkataloge und Spezialkataloge). Archivpfleger sind bisher bei denjenigen Behörden eingesetzt worden, die eine besonders hohe Produktion von Massenakten aufzuweisen haben. Da sind vor allem die Gerichte und Staatsanwalt- schaften, die Polizei, die Behörden für soziale und Jugendangelegenheiten zu nen- nen. Mit Recht können Sie nun fragen: Und wie gestaltet sich das Aussonderungsver- fahren und wie wird die Erfassung historisch wertvollen Schritfgutes in den Behör den sichergestellt, bei denen keine Archivpfleger eingesetzt sind und die keine 'Vor laufigen Verzeichnisse archivwürdiger Aktenbestande' jahrlich oder halbjahrlich einzureichen haben? Auch hier sind Sicherungen eingebaut. Sie verhindern, dass unkontrolliert Akten vernichtet werden. So bestimmt eine allgemeine Richtlinie für alle Behörden in Elamburg, dass kein Schriftgut ohne Erlaubnis des Staatsarchivs vernichtet werden darf, was früher vorgekommen ist. Beabsichtigt eine Behörde eine solche Kassation, so vergewissert sich das Archiv, ob sich unter dem Schriftgut [396] archivwürdige Akten befinden. 1st das der Fall, so wird in entsprechender Anwen- dung von allgemeinen oder speziellen Aussonderungsgrundsatzen die Auswahl ge troffen. Befinden sich unter dem Schriftgut keine archivwürdigen Akten, so wird es zur Vernichtung freigegeben. Handelt es sich um grössere Mengen von Massen akten, die ausgesondert werden müssen, so kann man pensionierte Beamte für disese Arbeit heranziehen. Dieser Weg ist in Hamburg gelegentlich erfolgreich beschritten worden. Ausserdem hat das Archiv ein Inspektionsrecht, d.h. es darf die Registra turen mit ihren Schriftgut überprüfen und Einsicht in Aktenplane und Karteien nehmen. Meine Damen und Herren! Ich habe über die in Hamburg erlassenen Richtlinien gesprochen, die die Aussonderung beschreiben: den Ort, wo die Aussonderung erfolgt; die Zeit, wann die Aussonderung geschieht; die Person, die die Aussonderung vornimmt; die Kataloge, die festlegen, was aufbewahrt und was kassiert werden soil; das Verfahren, wie die Aussonderung gehandhabt wird. II Erfahrungen mit dem Aussonderungsverfahren und mit der behördlichen Ar chiv pfle ge. Sie haben einen Anspruch darauf zu wissen, welche Erfahrungen bei der Auswahl und Kassation von Massenakten gemacht worden sind, welche Nachteile und welche Vorteile sich ergeben haben. Ich hoffe, damit vielleicht auch einige auftauchende Fragen zu unserem Thema beantworten zu können. Es soli daher von den Archiv- pflegern (1), den Sachbearbeitern (2) und den Richtlinien (3) die Rede sein. 1 Das eben skizzierte Verfahren der Aussonderung, einer erfolgreichen Erfassung und Sicherung archivwürdigen Schriftgutes, hangt entscheidend mit von der Person des Archivpfegers ab. Denn so relativ leicht der Kontakt zwischen Archiv und Be hörde in einem Stadtstaat wie Hamburg wegen der raumlichen Verhaltnisse generell auch sein mag, die personelle Besetzung im Archiv zwingt zu einer standigen Ver- tretung archivischer Belange in der jeweiligen Behörde. Bei den Gerichtsbehörden ist es gelungen, Richter und Staatsanwalte als Archiv pfleger zu gewinnen. Man durfte bei ihnen die notwendige Kenntnis vom Geschafts gang, vom Prozessverfahren und ein gewisses historisches Interesse voraussetzen. Schwieriger gestaltete sich die Auswahl geeigneter Bediensteter bei den Verwaltungs behörden. Der Personenkreis, der für diese Arbeit in Frage kommt, ist, schon der Dienststellung nach, begrenzt. Hinzu kommt, dass die Tatigkeit eines Behörden- Archivpflegers eine zusatzliche Beschaftigung darstellt. So konnten nur in den sel- tensten Fallen Amtsleiter sich für die Uebernahme solcher Tatigkeiten bereitfinden. Das Augenmerk wurde daher auf solche Dienstposten gerichtet, die an einem mög- lichst grossen Aktenumschlag ihres Zustandigkeitsbereiches teilnehmen oder in ihrem Amt über einen entsprechenden Ueberblick verfügen. Das sind vor allem Bedienstete der allgemeinen Verwaltungs- oder Organisationsabteilungen, Beamte [397]

Periodiekviewer Koninklijke Vereniging van Archivarissen

Nederlandsch Archievenblad | 1970 | | pagina 32