ters einzuwirken. Das geschieht dadurch, dass in den 'Richtlinien' die Frage 4 be handelt wird, namlich 4 Was soil aufbewahrt, was soil vernichtet werden? Es gibt eine Reihe von Akten, die ihrem Titel und ihrem Inhalt, also ihrer Bedeu- tung nach, ohne jede Bewertung durch den Sachbearbeiter als archivwiirdig und da- mit historisch wertvoll erkennbar sind. In die 'Richtlinien' kann man solche Akten in sogenannte Positivlislen aunehmen. Hierzu ein Beispiel: Aus der staatlichen Behördenebene mögen die Massenakten der Gerichte angeführt werden. Zu dem Schriftgut, das ohne Bewertung durch den Sachbearbeiter als histo risch oder rechtlich wertvoll anzusehen ist, rechnet u.a. nach den 'Richtlinien' fiir die Aussonderung von Gerichtsakten: Akten über Strafverfahren vor den Schwurgerichten (das sind meist Kapital- verbrechen und solche Falle, die sowieso öffentliches Aufsehen erregt haben); Akten über Strafverfahren, in denen ein Jugendlicher zu Jugendgefangnis von unbestimmter Dauer verurteilt worden ist (meist auch wegen eines Kapitalver- brechens); Akten über Konkursverfahren mit einer Summe von über DM 200.000, Sammlungen der Urteile; Notariatsregister und -urkunden; Grundbücher und die Akten hierzu; Register über Handelsfirmen, Genossenschaften, Vereine. Umgekehrt gibt es eine Reihe von Akten, die ihrem Titel nach ohne jede Bewertung durch den Sachbearbeiter als nicht archivwürdig erkennbar sind. In die 'Richtlinien' kann man solche Akten in sogenannte Negativlisten aufnehmen. Daneben aber und das ist mengenmassig der grösste Teil der Massenakten gibt es zahlreiche Falie, in denen der Sachbearbeiter bewerten muss, was archiv würdig oder nicht archivwürdig ist. Es gibt hier keine objektiven, positiven oder negativen Merkmale, sondern der Sachbearbeiter entscheidet subjektiv. Bei der Zusammenstellung eines Auswahl-Kriterienkataloge für diese Bewertungsfalle sind die Erfahrungen des Archivs berücksichtigt, die sich aus der Fragestellung der Be- nutzer, also auch der Verwaltung ergaben. In die 'Richtlinien' sind nun allgemeine Umschreibungen von Aussonderungsmerkmalen in einem Katalog für diese Falie aufgenommen. So nennt zum Beispiel der Katalog für die Massenakten bei den Ge- richten folgende Vorgange als archivwürdig: Akten, deren Inhalt für die Erkenntnis von staats-, wirtschaft- und kulturge- schichtlichen Zustanden und Ereignissen von allgemeine Bedeutung ist; Akten über Verfahren, an denen hervorragende Persönlichkeiten, Familien, Firmen, Vereinigungen und sonstige Unternehmungen beteiligt waren; Akten, die für die Rechtsverhaltnisse oder die Verwaltung des Bundes, der Lander, der Gemeinden, Religionsgemeinschaften von erheblicher Bedeutung sind. Damit haben sich aber das Archiv und die aktenproduzierenden Behörden nicht begnügt, sondern für Teilbereiche der sachlichen Zustandigkeit einer Behörde Spe- [394] lialkataloge geschaffen. Sie haben den Vorteil, dass der jeweilige Sachbearbeiter möglichst in Kürze diejenigen Auswahlmerkmale vorfindet, auf die er zu achten hat. Die Spezialkataloge befassen sich mit der jeweiligen Produktion von Massen akten einer bestimmten Dienststelle oder gleichgearteten Dienststellen. Sie berück- sichtigen auch die Besonderheiten oder das Typische, das in Hamburg als Staat oder Stadt anzutreffen ist. Die Hamburgischen Gerichte z.B. arbeiten mit solchen Spezialkatalogen; so für die Aussonderung von Zivilprozessakten, Handelsregisterakten, Vereinsregisterakten, Vormundschaftsakten. Für die Strafsachenakten besagt der entsprechende Spezial- katalog: In Auswahl sind Akten als historisch wertvoll zu bezeichnen, wenn sie Sachverhalte betreffen, die man unter dem Begriff der 'zeittypischen Kriminalitat' zusammenfasst. Ein solcher Katalog ist natürlich Veranderungen unterworfen, weil sich Lebensgewohnheiten und damit kriminelles Verhalten andern. In dem zur Zeit giiltigen Strafsachen-Spezialkatalog sind als solche zeittypischen Straftaten aufge nommen: Widerstand gegen die Staatsgewalt (wie er sich z.B. bei Studenten-Unruhen oder bei politischen Demonstrationen zeigt); Störung der Totenruhe (durch Beschmirren und Umwerfen von Grabsteinen); Beleidigung (von Personen und Kollektiven aus rassischen, politischen oder religiöschen Motiven); Körperverletzung (Schlagereien unter oder mit Gastarbeitern, St. Pauli-Delikte, also Straftaten, die in der besonderen Situation dieses Vergnügungsviertels be- gründet liegen); Diebstahl (in Warenhausern), Bankraub; Sachbeschadigung, z.B. Zerstörung der Saaleinrichtung, bei Jazz- oder Beat- veranstaltungen durch Jugendliche; Verstösse gegen das Opiumgesetz (Schmuggel oder Verkauf von Rauschgiften). Natürlich soil nun nich jeder der genannten Falie als archivwürdig ausgesondert werden, sondern solche, die als typisch eine verstarkte Aussagekraft haben oder zumindest als Beispielakte ihren Wert haben können. Man kann nun solche Kataloge gleich ob Positivliste oder Negativliste oder all - gemeiner Kriterienkatalog oder Spezialkatalog weiter differenzieren, um dem bewertenden Sachbearbeiter die Aussonderung noch mehr zu erleichtern. Das ist auch geschehen. So sind z.B. in die 'Richtlinien' für Wirtschaftdienststellen Akten aufgenommen, die an sich vernichtet werden dürfen, also eine Negativliste. Jedoch wird ausdrücklich bestimmt, dass mindestens zwei Akten je Aktengruppe und Jahr als Beispielfalle aufbewahrt werden müssen. Dann hat man noch zusatzlich um- schrieben, was als Beispielfall ausgewahlt werden könnte. So hier: Vorgange, die fiir dem Sachbearbeiter selbst rechtlich interessant waren oder die nach seiner Mei- nung öffentliches Aufsehen erregt haben. Aus allen diesen Beispielen ist das Prinzip zu entnehmen, nach denen die Auswahl- kataloge ausgearbeitet wurden: Für jede Behörde und jede Aktenkatagorie lassen sich besondere Aussonderungskataloge in 'Richtlinien' zusammenstellen. Sie können 395

Periodiekviewer Koninklijke Vereniging van Archivarissen

Nederlandsch Archievenblad | 1970 | | pagina 31