138 froh, als wir unseren PKW aus den LKW und Tanks heil heraus sind. Die Fahrt geht weiter nach Breda und von dort nördlich in Richtung Dortrecht. Hinter Zevenbergsche Hoek naheren wir uns den Hollandschen Deep und der mehr als anderthalb Kilometer langen Brücke, die zu unserer grossen Verwunde- rung nicht zerstört zu sein scheint. Da wir vom Einsatz der Fallschirmjager zum Schutz der Briicken nichts wissen, finden wir fiir die Unversehrtheit der riesigen für Holland strategisch höchst wichtigen Briicke zunachst keine Erklarung. Doch als wir dran sind wissen wir Bescheid. Da stehen sie, unsere Fallschirmjager, die unerhörtes gewagt und erreicht haben, die die wichtigen Briicken für den Vormarsch sicherten. Sie sind die Helden Hollands! Spater werden wir auch auf zahlreiche weisse Flecke in der Landschaft aufmerksam und erkennen die Fallschirme der Jager, die noch damit beschaftigt sind, sie wieder zusammenzu- rollen. Die Strassen sind gut und nicht zerstört. Wir kommen schnell vorwarts, Wiesen Wasser Weiden endlose Ebene. Dortrecht lassen wir rechts liegen, fahren vorbei an endlosen Kolonnen, die schon zum Angriff auf Süd- Holland eine Schwenkung nach Südwesten durchführen. Eine riesige schwarze Wolke steht in der Ferne über dem Land. Dort liegt Rotterdam. Es ist nicht durchzukommen. Ein Stuka-Angriff hat ein Hafenviertel niedergelegt. Es brennt, die Trümmer liegen auf den Strassen und durch Geröll und zerrissene Oberleitungen, die auf die Strasse hangen, müssen wir uns den Weg bahnen. Im Hafen brennen zahlreiche Schiffe, ein riesiger Ozeandampfer qualmt aus allen Schloten, er brennt aus und glüht hellrot. Wir arbeiten uns durch Rotterdam durch -Richtung Den Haag. Verschie- dene Brücken sind nun doch gesprengt. Die Kolonnen verlassen die festen Strassen und fahren an den Ufern der Kanale entlang bis sie einige unversehrte Brücke erreichen. Es entstehen kilometerlange Umwege. Unsere Pioniere sind überall dabei Notbrücken zu bauen. Wir helfen bei einer, die, wieder afgebaut, kurz vor unserem Eintreffen zum zweiten Mal von einer englischen Flieger- bombe zerstört wurde. Nun sind Wachen ausgestellt, die ,den Himmel nach Fliegern absuchen. Das Brückenwarterhaus ist durch die Sprengung fast ein- gedrückt. Es ist das erste zerstörte Haus, das wir betreten. Es ist neu gebaut und frisch gestrichen, Spielsachen liegen herum, zwischen Ziegeln, heraus- gerissenen Türen und eingestürzten Wanden. Die Hollander haben ihren eigenen Landsleuten vor der Sprengung nicht so viel Zeit gelassen, ihre geringe Habe zu bergen. Unser hollandischer Polizist, den wir in Rotterdam aufgegriffen haben und der uns nach Den Haag bringen soil, steht staunend und zerstört dabei. Von Zeit zu Zeit vergewissert er sich, ob wir auch wirklich dafür sorgen wollen, dass er nach Rotterdam zu seinem Dienst und seiner Familie zurückkehren kann. Er versucht verschied'entlich, sich selbstandich zu machen und zu verschwinden. Endlich ergibt er sich in sein Schicksal und wir sehen ihm an, dass seine Hoffnung, überhaupt wieder frei- gelassen zu werden, sehr gering ist. Die Brücke is fertig. Nach neuem Umweg gelangen wir auf die Strasse, die in schnurgerader Richtung als herrliche breite Autobahn zum Haag führt. Ein tolles Tempo wird angeschlagen. Es bemachtigt sich aller eine immer stei- gende Nervositat. Wir fahren schliesslich im Zuge einer der acht nebeneinander liegenden Kolonnen, Wagen an Wagen, alle möglicnen militarischen Einheiten, anscheinend wild durcheinander, dazwischen ebensoviele Privatwagen der Hol lander, streckenweise nur hollandische Wagen, soweit man sehen kann, die in 139 der gleichen Hast wie wir mit 70 bis 80 km Geschwindigkeit dem Haag zustre- ben. Dabei muss mit grosser Vorsicht gefahren werden, denn unbrauchbare Wagen, auch solchen, denen der Brennstoff ausgegangen ist, liegen auf der Strasse, links und rechts in der breiten Böschung der Strasse und in den Ge- büschen liegen zerstörte Junkers-Maschinen, versperren mit den Flügeln oder mit dem Rumpf mehr oder weniger die Autostrasse, so dass der Wagenstrom sich immer wieder staut. Es ist unerklarlich, wie wir trotz dieser Hindernisse das Tempo halten. Die Eindrücke von den zerstörten deutschen Maschinen, die teilweise ausgebrannt sind, noch nicht lange dort liegen und doch schon so hoffnungslos verlassen wirken, geben uns ein Ratsel auf. Was war geschehen? Wo waren unsere Luftlandetruppe? Hatten irgendwelche Minensperren unsere Flugzeuge bedroht? Wenig spater erfahren wir, was sich zugetragen hat, hören auch von den Verlusten des Gegners. Unser Auge sucht wahrend der Fahrt die vernichteten hollandischen Maschinen und einige Kilometer vor Den Haag finden wir sie. Auf die Einfahrt in Den Haag macht unser Polizist aufmerksam, der einen entgegenkommenden hollandischen Wagen benutzen will, um mit ihn nach Rot terdam zurückzufahren. Vergeblich. Wir erklaren ihm, dass er uns bis zum hollandischen Aussenamt bringen muss, dann erst kann er zurück. Er erwidert, im Haag wisse er nicht Bescheid. Wir bleiben unerbittlich. Nun kann er den Weg erklaren: diese Strasse immer weiter geradeaus und wir kamen zum Hollandischen Aussenamt. Das genügt uns auch noch nicht. Er muss bei uns bleiben und sitzt nun ganz geknickt neben dem Fahrer. Kurz darauf fahren wir auf den Platz vor dem Hollandischen Aussenambt. Eine unvergessliche Fahrt ist beendet. Wir haben hochrote Köpfe, sehen uns glücklich an, sprechen können wir nicht viel, denn wir sind heiser vom Schreien auf der Autobahn, wo wir im Wagen stehend und mit der Kelle winkend und schimpfend, uns Platz verschafft haben. Auf diese Weise überholten wir lange Kolonnen und gewannen einen beachtlic'hen Vorsprung, haben auch mit grosser Freude, die uns schon aus Norwegen bekannte Konkurrenz in Marineuniform geschlagen und sind nun mit den ersten deutschen Truppen im Haag. Das Aussenamt is verschlossen. Wir werden etwas deutlicher, da erscheinen drei Beamte, darunter der Haus- meister. Wir erklaren: das Haus ist durch uns beschlagnahmt, niemand darf es verlassen, niemand darf es betreten und vor allem ist jede Beseitigung von Akten strengstens verboten. 'Wir veranlassen den Hausmeister, uns sofort die Heizungs- keller zu zeigen. Tatsachlich, dort brennen Aktenstösse. Wir reissen die Feue- rungen auf und holen die Papiere heraus, löschen sie und verschliessen den Keller, um die Papiere spater zu untersuchen. In einem danebenliegenden Keiler finden wir die Aktendeckel der vernichteten Akten. Ihre Bezeichnungen stellen wir fest, eine Protokoll wird darüber angefertigt.1) An der Eingangstür zum Aussenamt befestigen wir mit Dienstsiegel unseren Beschlagnahmevermerk. Sofort sammeln sich Hollander staunend davor, sie scheinen die Mitteilung nicht zu begreifen. V7ir lassen zwei Kameraden im Aussenamt zurück und sind im Begriff zur Deutschen Gesandtschaft zu fahren, als unser Polizist aus Rotterdam sich ein Herz fasst und nochmals bescheiden anfragt, ob er nunmehr zurückfahren kann. Wir hatten ihn ganz vergessen. Doch in wenigen Minuten ist ein nach Rotterdam gehendes Fahrzeug für ihn ge- funden und überglücklich fahrt er ab. 1) Dit protocol bevindt zich bij de foto's onder nr. D 511239^ -41 R.v.O.

Periodiekviewer Koninklijke Vereniging van Archivarissen

Nederlandsch Archievenblad | 1962 | | pagina 4