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sammenhang, den ein Verweis im Inventar natürlich ebenso gut herstellen
kann, darf meines Dafürhaltens der Archivar auch raumlich herbeiführen
wenn er auf diese Weise eine kleine doch lückenhafte Abteilung verschwin-
den lassen kann. Das ist aber dann bereits eine Durchbrechung des
Prinzips.
Aber neben den Verwaltungsbehörden gibt es auch noch andre Stellen
die Archivalien liefern, vor allem die Gerichte. In Deutschland werden
die Genchtsakten zu einem grossen Teile vernichtet und nur die Akten
einzelner inhaltlich bedeutender Prozesse aufbewahrt. Von den vielen
Tausenden bei einem Gericht entstandenen Aktenfaszikeln werden schliesslich
nur wen.ge hundert dem Archiv einverleibt, und zwar ihres bestimmten
In halts wegen; warum sollen nun diese Prozessakten nicht dort unter-
gebracht werden, wo sie sachlich hingehören?
Nach diesem Grundsatze habe ich z. B. in einem Stadtarchiv gehandelt,
in dem sich ziemhch umfangreiche Akten über die Jagdgerechtsame der Stadt-
gemeinde fanden, und zwar wenigstens im 18 Jahrh. schön zu Akten
faszikeln schon in der Registratur vereinigt. Unter den zufallig aus dem
zustandigen Gericht in jenes Stadtarchiv gelangten Prozessakten fanden sich
nun auch solche, die über Jagdstreitigkeiten zwischen der Stadtgemeinde
und benachbarte Adligen handelten, und diese habe ich unbedenklich mit
den jagdakten vereinigt. Und ich wüsste nicht, was dagegen einzuwenden
ware. Aber es ist ein Verstoss gegen das Provenienzprinzip.
Ausser den Staatsbehörden kommen für Stadtarchive und Archive von Kör-
perschaften auch noch eine Menge andere Verwaltungsbehörden oder wie
man sie nennen soil - in Betracht, vor allem in der innerstadtischen
Verwaltung. Da ist aber die Organisation langst nicht so beharrlich wie im
Staate ,- Aenderungen des Systems und nach einer Unterbrechung voller
Experimente selbst Riickkehr zum alten Verfahren sind recht haufig. Soil
nun der Archivar alle diese Sprünge mitmachen und z. B. die Bauakten
die vorubergehend von der Finanzverwaltung getrennt waren, fiir diese
urze Zeit selbstiindig aufstellen oder nicht lieber trotzdem auch fiir diese
Zwischenzeit bei den übrigen Finanzakten unterbringen Dasselbe gilt für
alle Rechnungenwahrend in neuster Zeit die Stadte meist eine einzio-e
oder hochtens zwei bis drei Kassen führen, war es namentlich im Anfano-
des 19 Jahrhunderts vielfach üblich, dass bei jeder Verwaltungsstelle,
jeder Stiftung u. s. w. eine besondere Kasse und demgemass eine besondere
Jahresrechnung geführt wurde, die dann einen Bestandteil dieser speziellen
Registratur bildete. Wechsel in der Art der Zuteilung waren dabei recht
haufig Soil man nun nicht diese Rechnungen, die je fiir ein Jahr vorliegen
und oft eine hier abbrechende und an ganz andrer Stelle fortgesetzte Reihe
bilden, schon aus Gründen der praktischen Benutzung zu einer einzio-en
Abteilung vereimgen? Dem Provenienzsystem widerspricht es unbedingt.
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Diese samtlich der Praxis entnommenen Beispeile sollen nur zeigen, dass
man ein grundsatzlicher Anhanger des Provenienzprinzips und sein aufrichtiger
Freund sein und dennoch in besonderen Fallen, namentlich bei alteren und
liickenhaften Bestanden, davon abweichen kann und dass ein Zweifel an der
allgemeinen Durchführbarkeit durchaus nichtsmit einer Gegnerschaftzu tun hat.
Um zu zeigen, wie sich die Deutschen Geschichtsblatter bisher
zur Frage des Provenienzprinzips gestellt haben, muss ich auf friihere Aus-
lassungen darüber zurückgreifen. Das Wesen des Provenienzprinzips ist
zuerst im 4. Bd. S. 60 geschildert worden, und zwar in der schlichten
Widergabe dessen, was Bailleu auf dein dritten Archivtag in Düsseldorf
1902 vorgetragen hat bezüglich des Geheimen Staatsarchivs in Berlin.
Auf diese Ausführungen Bailleus habe ich dann 5 Bd. S. 262 Bezug ge-
nommen und kurz den Unterschied zwischen stadtischen und staatlichen
Archiven betont, als ich das prachtige Inventar des Baseler Staatsarchivs
besprach, in dessen Einleitung sich Wackernagel gegen ein Nebeneinander
alter Registraturen aussprach.
Um rneinen eigenen Standpunkt nochmals kurz zu kennzeichnen, so
erklare ich mich grundsatzlich als Anhanger des Provenienzprinzips und
zwar erst ens weil es einfach und klar ist und sich leicht anwenden Iasst,
zweitens weil es das einzige Mittel ist, um die Masse der neueren
Archivalien zu übersehn und zu bemeisternd rittens weil es ein rasches
Fortschreiten der Ordnungsarbeiten ermöglicht, da gleichzeitig mehrere
Beambte je eine Abteilung in Arbeit nehmen können, ohne sich gegen-
seitig zu storen; viert ens weil die Einordnung neuer Zugange aus den
Registraturen dadurch überaus einfach wird, und schliesslich fünftens
ein Moment, welches meines Wissens noch nicht betont worden ist
weil dieses Verfahren ein voreiliges Kassieren von Akten ganz unwill-
kürlich verhindert: wenn von einer verhaltnismassig jungen Behörde 100
fortlaufend nummerierte Faszikel abgegeben werden, dann unterbleibt mit
Rücksicht auf das Ganze die Ausscheidung von 10 beliebigen Faszikeln
viel eher als wenn diese 100 Teile doch auseinander gerissen werden,
sodass das Fehlen einzelner Stücke nicht ohne weiteres festzustellen ist.
Unbeschadet dieses grundsatzlichen Standpunktes bekenne ich aber
ebenfalls, dass ich dort, wo die Verhaltnisse ein and er es Verfahren als
zweckmassiger (bequemer, nützlicher) erkennen lassen, lediglich um
des Prinzips willen rneiner besseren Einsicht entgegen zu handeln,
für unangebracht halte".
Ziehier de meening van Dr. Tille, die wellicht enkelen onzer aan
leiding zal geven tot eenige nadere beschouwingen en opmerkingen. Maar
ook zonder dat mogen wij Dr. Tille dankbaar zijn, dat hij ons zijn stand
punt ten opzichte van het Provenienzprinzip zoo uitvoerig uiteen heeft
willen zetten.
F W