62 BEKANNTMACHUNG betreffend die akademische Vorbildung und die Prüfung der Archiv-Aspiranten. Deutscher Reichs- Anzeiger und Königlich Preussischer Staats-Anzeiger Nr. 85 vom 11 April 1894.) I. Behufs zweckmassiger Vorbereitung auf den preussischen Staats- Archivdienst werden die Aspiranten auf die Beachtung nacbstebender Gesichtspunkte hingewiesen 1) Zum Verstandnisz des Wortinhalts der archivalischen Dokumente bedarf es eingehender Yertrautbeit mit PalaographieDiplomatik und Chronologiesowie ausreicbender Kenntnisse in den darin zumeist ge- brauchten SprachenLateiniscbMittelhochdeutschMittelniederdeutsch und Französisch. 2) Zur richtigen Auffassung und Yerwertbung des Sacbinhalts der Do kumente gehort ferner die Kenntniss der Geschichte Deutschlands im Mittelalter und in der Reformationszeitder Geschichte Brandenburg- Preussens in alterer und neuerer Zeitder deutschen Territorialgeschichte in Uebersicht und der mittelalterlichen Kunstgeschichte. 3) Aus dem Gebiete der Rechts- und Staatswissenschaften mussen hinzutretenals allgemeine Einführung Encyclopadie des Rechts oder Institutionen des Römischen Rechtsferner deutsche Staats- und Rechts- geschichte, deutsches Staatsrecht, preussisches Yerwaltungsrecht und dessen Geschichte, Kirchenrecht, Nationalökonomie und Pinanzwissenschaft. 4) Endlich ist dem Archivbeamten unentbehrlich das genaue Verstand- niss der Archivwissenschaft und der praktischen Archivkunde. 5) Den Archiv-Aspiranten wird daher die Anhörung von Yorlesungen über die zu 14 bezeichneten Disziplinen und die Theilnahme an Ue- bungen aus dem Gebiete derselben empfohlen. Insbesondere ist es un- erlasslichdass dieselben mit Erfolg mindestens zwei Semester einem Seminar für die historischen Hilfswissenschaftenzwei Semester einem historischenein Semester einem deutsch-philologischen Seminar als Mit- glieder angehört und mindestens ein Semester an Uebungen über Archiv kunde theilgenommen haben. 6) lm übrigen bleibt die Auswahl, sowie die Reihenfolge der Yor lesungen dem Ermessen der Aspiranten überlassen. 7) An der Universitat Marburg ist ein Seminar für geschichtliche Hilfswissenschaften mit der besonderen Aufgabe errichtet, bei seiner Thatigkeit auf diesem Wissenschaftsgebiete vorzugsweise auf die Aus- bildung von Archiv-Aspiranten Bedacht zu nehmen. Auch werden seitens des Staats-Archivars des Marburger Staats-Archivs an der dortigen Uni versitat Yorlesungen über Archivwissenschaft und praktische Uebungen zur Vorbereitung auf den Archivdienst gehalten. Es hat dies jedoch nicht den Zweck, das Studium an der Universitat 63 Marburg für die Archiv-Aspiranten obligatorisch zu machen. Vielmehr steht denselben die Wahl der Universitat innerhalb des Reichsgebietes frei. 8) Die Dauer der Studienzeit ist mindestens auf sechs Semester, wenn irgend möglich aber auf sieben oder acht Semester zu bemessen. II. Die Zulassung zum Archivdienste ist von der Ablegung einer Prü fung abhangig. Dieselbe erfolgt nach Massgabe der von dem Prasidenten des Staats-Ministeriums erlassenen, in der Anlage beigefügten Prüfungs- ordnung vom heutigen Tage. Berlin den 6 April 1894. Der Prdsident Der Minister des der geistlichen, Unterrichts- und Staats-MinisteriumsMedizinal-Angelegenheiten, Graf zu Eulenburg. Dr. Bosse. Prüfungsordnung für die Archiv-Aspiranten. 1. Die Prüfung der Archiv-Aspiranten erfolgt durch die in Marburg eingerichtete Prüfungskommission 2. Die Prüfungskommission besteht aus dem jeweiligen Staats-Ar- chivar des dortigen Staats-Archivs und vier Professoren der Universitat, welche vorzugsweise dem Kreise der Yertreter der Geschichte, der Rechtswissenschaft, der historischen Hilfswissenschaften und der deutschen Philologie zu entnebmen sind. Die vier akademischen Mitglieder der Kommission werden von der Archivverwaltung im Einvernehmen mit der Unterrichtsverwaltung auf drei Jahre ernannt. Scheidet eines derselben wahrend dieser Zeit ausso wird ein Ersatz für die Restzeit bestellt. 3. Der jeweilige Direktor der Staats-archive ist Ehrenvorsitzender der Kommission. Er führt, wenn er anwesend ist, den Yorsitz, nimmt die Aufsicht über die Geschaftsthatigkeit der Kommission wahr und hat das Recht, jeder Zeit Berichte von derselben zu erfordern und sich ihre Akten vorlegen zu lassen. 4. Pitr die regelmassige Geschaftsführung der Kommission wird von der Archivverwaltung im Einvernehmen mit der Unterrichtsverwaltung eines der akademischen Mitglieder zum Yorsitzenden bestellt. Der Vor- sitzende entscheidet über die Zulassung der Kandidaten zur Prüfung, setzt die Prüfungstermine an, leitet die Prüfungen, führt das Geschaftsjournal, zeichnet die geschaftliche Korrespondenz und verwahrt die Akten der Kommission. 5. Die Meldung zur Prüfung ist dem Yorsitzenden der Kommission einzureichen. Derselben sind beizufügen: 1) das Reifezeugniss eines deutschen humanistischen Gymnasiums,

Periodiekviewer Koninklijke Vereniging van Archivarissen

Nederlandsch Archievenblad | 1894 | | pagina 12