Bild und Ton übersetzen lassen. Aber eine solche Untergliederung ist in der
Praxis nicht zu verwirklichen. Hat man mitunter schon bei schriftlichen Do-
kumenten Schwierigkeiten, die einzelnen Kriterien auseinanderzuhalten, so
ist eine Trennung bei audiovisuellen Dokumenten vollends unmöglich. Für
die ErschlieBung folgt daraus, daB dem Entstehungszweck bei der Ordnung
und Verzeichnung audiovisueller Archivalien keine Bedeutung zukommen
kann.
Diese Einschrankungen gelten auch für die Verwendung der Provenienzstel-
le, obwohl sie der tragende Pfeiler bei der Ordnung und Verzeichnung
schriftlicher Dokumente darstellt. GewiB hat auch jeder Film, jedes Bild oder
jeder Ton eine bestimmte Provenienzstelle, aber ihre Kenntnis erlaubt im all-
gemeinen keine Aussage über den Informationsgehalt. Beispielsweize ist die
Provenienzangabe 'Presse- und Informationsamt der Bundesregierung' auch
dann für den Inhalt ohne Belang, wenn man noch die Abteilung 'Film Aus-
land' berücksichtigt;11 oder im Bildbereich sagt die Provenienz 'Hoffoto-
graph Oscar Tellgmann' höchstens etwas über den zeitlichen Umfang der
Sammlung,12 wahrend sie Rückschlüsse auf den Inhalt nicht erlaubt. Ganz
abgesehen davon müBte zunachst auch verbindlich festgelegt werden, was im
audiovisuellen Bereich unter 'Provenienzstelle' zu verstehen ist - etwa Auf-
traggeber oder Hersteller? Da der Auftraggeber für ein politisches, der Her
steller für ein künstlerisches Programm stehen kann, hangt es noch immer
von der jeweiligen Fragestellung ab, wem der Rang der Provenienzstelle zu-
kommt. Aber auch wenn man sich auf eine verbindliche Definition von 'Pro
venienz' im audiovisuellen Bereich einigen würde, lieBe sich aus ihr meist
kein AufschluB über den Inhalt eines audiovisuellen Dokumentes herleiten,
wenn man von den wenigen eindeutigen Provenienzstellen wie 'Reichskolo-
nialbund' absieht.13 Insofern ist auch die Provenienz als Gerüst für die
ErschlieBung audiovisueller Archivalien nicht geeignet; sie kann nur als for
mal ordnendes Element dienen.
In diesem Zusammenhang sind noch die Anforderungen zu behandeln, die
der Benutzer an audiovisuelle Medien stellt. Dazu ist es erforderlich, fest-
zustellen, wer sie gemeinhin im Archiv benutzt. DaB die Historiker nicht ge-
rade zu den eifrigsten Benutzern von Film-, Bild- und Tonquellen gehören,
ist schon auf dem Deutschen Archivtag in Braunschweig 1974 beklagt wor
den,14 und an dieser MiBachtung audiovisueller Zeugnisse hat sich bis in die
Gegenwart trotz zahlreicher Versuche von Archivaren und Fachgelehrten
nicht viel geandert. Beispielsweise entfallen im Bundesarchiv weit über 90%
der Benutzer im Bild- und Filmbereich auf Filmfirmen, Fernsehanstalten,
Verlage und andere publizistische Organe.15 Wie die Erfahrung zeigt, handelt
es sich dabei urn eine Kategorie von Benutzern, die nicht willens und auf
Grund ihrer von Archivaren und Historikern verschiedenartigen Ausbildung
auch gar nicht in der Lage sind, umfassende und exakte Recherchen anzustel-
len - Benutzer, denen es in den meisten Fallen von vornherein gar nicht da-
rum geht, mit Hilfe von audiovisuellen Quellen historische Erkenntnisse zu
gewinnen, sondern die Material benötigen, das schnell zu beschaffen ist, sel-
ten benutzt wurde und in einen vorgegebenen künstlerischen und inhaltlichen
Rahmen paBt. Mit provenienzmaBig aufgebauten ErschlieBungsmitteln kön-
nen sie nichts anfangen.
Nach dem bisher Gesagten muB die ErschlieBung audiovisueller Archivalien
also folgenden Grundsatzen Rechnung tragen:
1 Wesentliche Kriterien, die die ErschlieBung schriftlicher Dokumente bestim-
men, wie z.B. Entstehungszweck und Provenienz, lassen sich für ErschlieBung
audiovisueller Dokumente nicht verwenden.
2 Da schriftliche Dokumente und nichtschriftliche Dokumente auf unterschied-
lichen Voraussetzungen beruhen, sind auch die Anforderungen unterschied-
lich, die von den Benutzern an sie gestellt werden.
Wenn demnach für die ErschlieBung audiovisueller Archivalien Entstehungs
zweck und Provenienzstelle als Gerüst nicht zur Verfügung stehen, gibt es kei
ne andere Möglichkeit, als unabhangig von ihnen eine Einzelverzeichnung
vorzunehmen - Tontrager für Tontrager, Filmtrager für Filmtrüger, Bildtra-
ger für Bildtrager.16
Die EinzelerschlieBung audiovisueller Archivalien setzt sich aus drei Kom-
plexen zusammen:
1 die Beschreibung unter formalen Gesichtspunkten,
2 die Beschreibung unter inhaltlich-sachlichen Gesichtspunkten,
3 die Beschreibung unter optischen und akustischen Gesichtspunkten.
Die formale Beschreibung audiovisueller Archivalien muB alle technischen
Daten enthalten, die den jeweiligen Film-, Bild- oder Tontrager kennzeichen.
Was den Film, und, wenn auch weniger haufig, den Ton betrifft, so sind diese
Angaben meist im Vorspann oder im Nachspann enthalten; wenn dies nicht
der Fall ist, wie vor allem bei Bildtragern, sind sie anhand der üblichen
Hilfsmittel wie Jahrbücher, Programmzeitschriften u.ü. zu ermitteln. Zu den
formalen Daten gehören Titel und Untertitel, Datierung, Lange bzw. Format,
Fassung (d.h. etwa schwarz-weiB oder Farbe, Ton- oder Stummfilm), Anga
ben zur Produktion, zum Hersteller, zu den Mitwirkenden, dazu Prüfent-
scheide wie z.B. Zensurdaten, Pradikate u.a., schlieBlich der Erhaltungs-
zustand des im Archiv verwahrten audiovisuellen Dokumentes (Ausgangsma-
terial) und die Archivsignatur. Die ErschlieBungsmodelle für Bilder, die das
Hauptstaatsarchiv Düsseldorf herausgegeben hat,17 oder für Film- und Ton
trager, die im Bundesarchiv benutzt werden,18 sehen darüber hinaus Angaben
zur umfassenden Materiallage eines Film-, Bild- oder Tontrager vor. Ange-
sichts der herrschenden Praxis, daB der Benutzer einerseits die meist gleich-
bleibenden Ausgangsmaterialien von Film-, Bild- und Tontragern wenn über
haupt, dann nur ausnahmsweise benutzen darf, daB sich aber andererseits die
Materiallage bei den für den Benutzer bestimmten Materialien standig andert
und erweitert, ist der Arbeitsaufwand, die ErschlieBungsbögen auf dem neu-
esten Stand zu halten, besonders bei einer Vielzahl audiovisueller Archivalien
zu groB. Da jedes Archiv eine wie auch immer formierte, von den Erschlies-
zungsbögen getrennte Bestandskartei führt, die alle Angaben über die Materi
allage enthalt, ist der Nachweis auf jeden Fall sichergestellt.
Was diese formalen Angaben gemeinsam haben, ist die Tatsache, daB sie
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