Gerichtsmaterialien für das 16./17. Jh., wenn wir von einzelnen Ortsgerichten absehen. Ahnlich ist es mit den geistlichen Archiven. Obwohl wir die Archive von 234 Stiftern und Klöstern aufbewahren, darunter so alten und bedeutenden wie Aachen, Essen, Werden, Kamp, Steinfeld, haben wir kaum ein Archiv in dem Umfang und der Zusammensetzung, wie es vor der Sakularisation 1802 bestand. Die französischen Kommissare haben sich bei der Beschlagnahme nur für die Besitztitel interessiert und selbst diese, wenigstens im links-rheinischen Gebiet, nur sehr unvollstandig an sich genommen. Es fehlen vor allem die Briefarchive, die für die AuBenbeziehungen wichtig waren. Von ihnen haben wir nur das der Burs- felder Union der Benediktiner im Archiv der Abtei Werden als einigermaBen unversehrten Bestand1'. Der Band IV unserer Bestandsübersicht macht Ihnen deutlich, wie viel zersplittert, aber nicht, wie viel noch nach 1802 vernichtet worden ist. Dazu kommen noch empfindliche Aktenverluste des letzten Rriegs- jahres7. Es ist eine Spanne von 1000 Jahren, über die zu sprechen ist. Das 'Urkundenbuch zur Geschichte des Niederrheins', das mein Amtsvorganger Th. J. Lacomblet in den Jahren 184058 veröffentlichte, nennt als erstes Stück eine Urkunde Karls d. GroBen von 779 für die Marienkirche in Chèvremont, überliefert in einem Kopiar des Aachener Marienstiftes (dem der Keiser 972 dieses Kloster geschenkt hatte); als zweites die Schenkung von Land bei Wichmond (Gelderland), die ein Liudger seinem gleichnamigen Freund, dem Priester Liudger, 793 machte. Dieser Priester Liudger, der 809 als erster Bischof von Münster starb, hat seiner Gründung Werden nicht nur die Schatze des Heils, seine Reliquien, sondern auch sein groBes Erbe in Friesland übergeben und auch andere Gaben gesammelt. Von den 30 Schenkungen, die das Kloster zu seinen Lebzeiten erhielt, nennen 12 Besitzungen im Bereiche der Provinzen Gelderland und Overijssel. Auch die Urkunden der folgenden Zeit und die Heberegister sind als alteste Zeugnisse für eine Anzahl Orte der östlichen und nördlichen Niederlande und als Quellen für die bauerlichen Verhaltnisse Frieslands von den niederlandischen Geschichts- und Sprachforschern schon lange ausgewertet worden. Wir verdanken die grundlegende diplomatische Untersuchung der altesten Urkunden dent Amsterdamer Dirk Peter Blok (I960)8. Was in unseren Urkunden vor 1200 an niederlandischen Orten genannt wird, findet sich meist in den Archiven der Reichsstifter und -Kloster und erweist sich auch meist als Schenkung der König'1. Das gilt für die Besitzungen des Marien stiftes Aachen und der Abtei Kornelimünster 'jenseits der Maas' ebenso wie für 6 Vgl. das Hauptstaatsarchiv 4, 1964, 329. 7 Vgl. das Staatsarchiv 1, 43. 8 D. P. Blok, Een diplomatiek onderzoek van de oudste particuliere oorkonden van Werden, Amsterdams proefschrift, 1960; Eine Ubersicht über die Urkunden vor 1200 bei Crecelius (Zs. d. Berg. Gesch. Ver. 6, 1869, 1 ff. u. 7, 1870, 1 ff.); die Besitzver- zeichnisse z.T. hg. von R. Kötzschke, Die Urbare der Abtei W. 3 Bde. (Publ. d. Ges. f. rhein. Geschichtskunde 20, 24, 190658); vgl. Das Hauptstaatsarchiv D. 4, 1964, 325 ff. 9 Vgl. zum Folgenden 'Das Hauptstaatsarchiv D. 4, 1964; G. Rotthoff, Studiën zur Geschichte des Reichguts in Niederlothringen und Friesland wahrend der sachsich- salischen Kaiserzeit (Rhein. Archiv 44, 1953). [54] den Besitz des Damenstiftes Essen in Sal land (Olst und Archem) oder der Abtei Burtscheid zu Rutten und Vijlen. Das Damenstift Elten war von seinem Gründer, dem Grafen Wichmann, mit umfangreichen Besitz, zumeist in der heutigen Pro- vinz Gelderland ausgestattet worden10, doch hatte auch der König einiges dazu getan, die Reichslehen des Grafen, den Kothenzoll zu Deventer und Fischerei- rechte in Sailand. Von den Stiftern, die ursprünglich 'zum Schatz und Bistumsgut des hl. Petrus', d.h. dem Erzbischof von Köln gehörten11, brauche ich hier nur das Stift des hl. Viktor in X'anten zu nennen, dem noch im 13. Jh. 'Hollander, Brabanter und Friesen' reiche Geschenke brachten und das im Bereich zwischen Maas und Waal östlich des Nijmeger Reiches 8 Kirchen mit ihren Zehnten besass, doch liegt der gröBte Teil des Archives (darunter die Akten der archidiakonalen Verwaltung) noch in Xanten selbst. Die Überlieferung des Stiftes Emmerich, dessen Propst Archidiakon des Bistums Utrecht war, ist für die Zeit vor 1200 dürftig (3 Urkunden). Die Akten sind 1945 zum gröBten Teil vernichtet worden. In den Archiven der neuen Kloster des 12. Jhs. sind nur wenige Stücke, die uns über Beziehungen zu den niederlandischen Tochterklöstern AufschluB geben; gerade daB der Rest eines Briefbuches uns beweist, daB die Abtei Steinfeld mit dem friesischen Dokkum bis zu dessen Aufhebung 1580 in Korrespondenz gestanden hat12. Die Gründungen der folgenden Zeit sind kleiner, in ihren Besitzungen einge- schrankter, so daB man von ihnen nur etwa die an der Grenze gelegenen, Heins- herg (zuerst verbunden mit Houthem-Sint-Gerlach und Graf enthal als Grabkloster der Grafen von Geldern zu nennen braucht; dessen Archiv aber fast ganz in der Studienanstalt Gaesdonck (über Goch) liegt. Für die Mehrzahl ist auch die Über lieferung schlecht. Das gilt für die Hauser der Devotio moderna (der Augusti- nerchorherren und -Chorfrauen der Windesheimer Kongregation und der Brüder und Schwestern vom Gemeinsamen Leben), ebenso wie für die neuen Hauser des 17./18. Jhs., soweit sie Tochterklöster limburgischer oder geldrischer Kloster sind. Von den Archiven der Provinzialate, die ihrer umfassenderen Korrespondenz wegen wichtiger waren, sind im Düsseldorfer Archiv nur einige Reste der Pramonstra- tenserkorrespondenz des 17. Jh.s. im Steinfelder Archiv und der Kreuzherren (2. H.d. 18. Jh.) im Bestand 'Marienfrede'. Das der Karmeliter ist im Stadtarchiv Frankfurt13 ein Rest des Archivs der Franziskaner-Rekollekten im Stadtarchiv Düren14. Die Provinzialatsarchive des 17./18. Jhs. dürften für die Niederlande unergiebig sein, da die Ordensprovinzen nicht mehr wesentlich in sie hinein- reichten. Ich habe die 'monasteria' vorweggenommen, da ihre Archive unser altestes Material enthalten. Dem Alter und Range nach hatte der Kölner Erzbischof zu- 10 Vgl. die Ubersicht bei Oediger, Adelas Kampf um Elten (Aannalen d. Hist. Ver. f. d. Niederrhein 155/156, 1954, 82 ff.). 11 Vgl. W. Neuss-F. W. Oediger, Gesch. des Erzbistums Köln 1, 1964. 426 ff. u. die Listen 501 ff. 12 Steinfeld nr. 51 (vgl. "Das Hautstaatsarchiv D.' 4, 306). 13 H. H. Koch, Die Karmeliterklöster Deutschlands, 1889 VII ff.; Rud. Jung, Das Frankfurter Stadarchiv, seine Bestande u. seine Geschichte 1909, 128 f. 14 Annalen des Hist. Vereins für den Niederrhein 64, 1897, 377 ff. [55]

Periodiekviewer Koninklijke Vereniging van Archivarissen

Nederlandsch Archievenblad | 1966 | | pagina 31