Die Bedeuting des Hauptstaat,sarchivs Düsseldorffür die
niederldndisehe Ge schicht sforschung
Es hat mir immer Freude gemacht, Benutzern die Bestande unseres Archivs zu
erschliessen, und ich darf darum dem Alg. Rijksarchivaris, Herrn Dr. Hardenberg,
einen sehr herzlichen Dank sagen für seine Einladung. Ich kann Sie allerdings
nicht in Neuland führen. DaB im Düsseldorfer Archiv manches Material zur
niederlandischen Geschichte liegt, ist seit über hundert Jahren bekannt. Zu unseren
Benutzern gehörten (vor 1851) der spatere Alg. Rijksarchivaris Bakhuizen van
den Brink ebenso wie sein langjahriger Brüsseler Kollege Pierre Gachard, und
bereits 1888 hat der Groninger Professor Blok eine erste Übersicht in seinem
Reisebericht veröffentlich. Manches von dem, was Blok und spater^ Flament
nennen, etwa die geldrischen Stücke u. die Archive der Deutschordensbaliei Alten-
biesen der Stifter Susteren u. Sittard1, finden Sie nicht mehr bei uns. Die Archive
niederlandischer Herkunft sind 1926 und 1941 den Rijksarchieven Arnhem und
Maastricht übergeben worden2.
Ich darf den Vertrag von 1926 besonders nennen. weil hier der Tausch 'zum
ersten Male nach den Regeln der Archivwissenschaft' vorgenommen wurde, ohne
daB die Partner abwogen, wie viel der einzelne bekam, sondern den Verwaltungs-
sitz des ursprünglichen Tragers maBgebend sein hessen. Durch die Form der
Leihgabe fand man einen Ausweg vor einer allzu konsequenten Durchführung des
Provenienprinzips. Ein Zusatzvertrag von 1930 ermöglichte die gegenseitige un-
mittelbare Benutzung.
Das Düsseldorfer Archiv führt den Titel (Landeshauptarchiv) 'Hauptstaatsarchiv'
erst seit (1952) 1961. Vor 1945 war es ein preussisches Provinzialarchiv, bestimmt,
die Archive der durch die französische Regierung 1794/1802 beseitigten Landes-
herschaften und Klöster aufzunehmen; seit 1832 war es Archiv für die Gerichte
und Behörden der nördlichen Rheinprovinz, der drei Regierungsbezirke Düssel-
dorf, Köln, Aachen. Daraus erklart sich die heutige Gliederung in 3 Abteilungen,
von denen die erste das Alte Archiv (vor 1815) umfaBt, die dritte das sogenannte
1 P-Blok> Verslag aangaande een onderzoek in Duitsland naar archivalia belangrijk
voor de geschiedenis van Nederland 1886—87, 1888; A. J. A. Flament, Regesten en
inventaris van collegien in Limburg zich bevindende in het 'Kön. Preuss. Staatsarchiv
te D. (Verslagen 1904, 543 ff.).
Y«S»J» omtrent 's Rijks oude archieven 1926 I 45 ff. (dort der Vertragstext) u.
1^41, 3/ 1., vgl. Das Staatsarchiv Düsseldorf und seine Bestande 1, 1957, 22 f. u. 330 f.
ttT ®^stanc* Ravestein ist ein künstliches Gebilde, das sich zusammensetzt aus 112
Urkunden zumeist der Nebenlinie Kleve-Ravenstein (1412—1637), die zum Klevischen
cne? irs?n fins ai Pfnat,ScZC„hl!' o-, 215)' Rechnungen der klevischen Kammer
1486, 1502, 1510, 1508, 1510, 1568. 1587, 1639, 1654. Rechnungen der Jülich-Bergischen
Hofkammer 1670, 1687, 1711, 1717, 1724, 1727, 1732. 1792.
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Ministerialarchiv für die obersten Behörden und Einrichtungen des Landes Nord-
rhein-Westfalen bildet, die zweite -in unserem Zweigarchiv Kalkum das
Behördenarchiv für den Landesteil Rheinland. (Ich darf auf den Anhang ver-
weisen).
Für die Aufgabe, die mir hier gestellt ist, kann ich mich auf das Alte Archiv
beschranken. Seit 1794, als die Franzosen die Rheinlande besetzten u. die alten
Landesherrschaften beseitigten, bzw. seit 1815, als die beiden Niederlande zum
Vereinigten Königreich zusammengeschlossen, die Rheinlande dem Königreich
Preussen zugeteilt waren, wird 'in politicis' nicht mehr zwischen Arnheim und
Kleve, Roermond und Düsseldorf, sondern zwischen den Haag und Paris bzw.
Berlin korrespondiert. Ich habe in den Aktenverzeichnissen der Bezirksregierung
Düsseldorf nicht einmal Aktentitel über die Durchführung wichtiger Vertrage
gefunden4. nur die üblichen über Aus- und Einwanderung, über das Setzen von
Grenzsteinen u.a. Für die wirtschaftlichen Beziehungen enthalten die Akten der
Provinzialsteuerdirektion (seit 1906 Oberzolldirektion) Köln einiges, doch dürften
für die wirtschaftliche Verflechtung die Archive der Konzerne, wenn sie erhalten
und zuganglich sind, wichtiger sein als die Registraturen der staatlichen Behörden.
Auch über die persönlichen und geistigen Beziehungen wird man in diesen nicht
allzuviel erwarten.
Die Archive des Erzstiftes Köln. der Herzogtümer Jülich-Berg und Kleve (mit
der Grafschaft Mark) sind die gröBten unserer alten Landesarchive; in Abstand
folgen die des Fürstentums Moers, des preussischen Oberquartiers Geldern, der
Grafschaft Blankenheim usw. Doch besitzen wir diese Archive keineswegs voll-
standig. Wir haben als geschlossene Bestande noch das, was um 1800 bereits in
den Archiven war, d.h. die Urkunden. Kopiare und einige meist altere Akten-
gruppen. Von den Registraturen des 18. Jhs. sind nur die der Jül. Berg. Landtags-
kommission (einschlieBlich der standischen Archive) und des Niederrheinisch-
Westfalischen Kreises als unverletzte Einheiten ins Archiv gelangt.
In Düsseldorf. der Hauptstadt von Jülich-Berg, sind 1809 etwa 4/5 der Registra
turen vernichtet worden (Die Erhaltung der Rechnungsreihen u. der Bergwerks
akten des Herzogtums Jülich von 1500 ab verdanken wir den Franzosen, die sie
1802 aus Düsseldorf herausgeholt hatten); das Archiv der Klevischen Kammer
ist, soweit man es 1794 auf der Schwanenburg zurückgelassen hatte, 1812 ver
nichtet worden; vom Administrationskolleg für den preussischen Teil von Geldern
haben wir nur noch ein Zehntel. Von den Obergerichten der drei Lander sind Akten
meist nur aus der 2. Halfte des 18. Jhs. erhalten. Nur in den Akten des Reichs-
kammergerichtes und des Hauptgerichtes Jülich besitzen wir in gröBerem Umfang
3 H. van Ham, Quellen zur rheinischen Auswanderungsforschung (Rhein. Vjbll. 6,
1936, 295 ff.).
4 Wohl befinden sich im Bestand 'Regierung Aachen: Prasidialbiiro' II 47 Akten über
die Unruhen in den Niederlanden 1830 u. II 110) über die Riickgabe von Teilen der
Provinzen Limburg u. Luxemburg an die Niederlande und die dadurch verursachte
Aufregung 1838.
5 Auf die Aktenabgaben an die Staatsarchive Koblenz und Münster (vgl. Das Staats
archiv Düsseldorf 1, 17 ff.) brauche ich hier nicht einzugehen.
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