5
Partnern, mit bestimmten Partnergruppen (etwa gleichen Standes, gleichen
Anfangsbuchstabens usw.). Strukturmassig entsteht ein Mittelding zwischen
Korrespondenzakten und Serien: ich nenne es Korrespondenz-Serien.
Das dritte ist das Betreffprinzip. Es gibt drei Arten von Betreffen: Orte,
Personen, Sachbetreffe. Alle Schriftstücke der Kanzlei, die einen Ort, eine
Person oder eine Sac.he betreffen, werden für sich vereint. Es ist nun eine
ziemliche Spannweite von einem allgeraein gefassten Betreff1) (wie Mühlen-
sachen) und dem, der nur ein einziges Geschaft2) meint, dessen Schriftstücke
miteinander einen unlöslichen geschaftsmassigen Zusammenhang bilden (Wie-
deraufbau der Mühle in Adorf). Im ersten Falie werden mehrere solche
geschaftsmassigen Zusammenhange vereint sein: ich spreche dann von „Betreff-
serien"3), im zweiten eben nur eines: ich spreche von „Einzelsachakten"4)
Die üblichen „Sachakten" (daftir gibt es m.W.. keinen equivalenten hollandi-
schen Terminus) in den Sachaktenregistraturen preussischen Typs im 18. und
19. Jahrhundert erweisen sich bei naherer Untersuchung als ein Nebeneinander
von Einzelsachakten und kleinen Betreffserien5)Wann die eine, wann die
andere Form gewahlt. wird, bleibt dem Geschick des Registrators überlassen,
der handlic.he Aktenbande zu bilden bemiiht ist.
Es gibt noch zwei andere Ordnungsprinzipien: das Referatsprinzip, bei dem
die von einem Referenten erledigten Schriftstücke vereint werden, und das
von mir so benannte geschaftstechnische Prinzip, das alle Schriften, die nach
einer ganz bestimmten Art und Weise, nach einem gleichen Schema erledigt
werden, zusammenfasst (alle Suppliken z.B.). Ausserdem werden Schrift
stücke auch nach einem rein ausserlichen Gesichtspunkt gesondert bezw. ver
eint: nach Format0), Schrifttrager7), Farbe usw. Wir können uns hier mit der
Nennung begnügen.
Zuerst will ich mich der Zeit zuwenden, in der das Pergament der
ausschliessliche oder vorwiegende Schrifttrager in den Kanzleien war.
Die Schriftstücke auf Pergament sind, wie ein Blick in unsere Archive zeigt,
einmal riesig gross, ein andermal winzig klein, meist haben sie noch dazu
sperrige Siegel. Damit lasst sich keine praktische Organisation herstellen. Die
technischen Mittel der Vereingung sind Spankastlein, Schubladen, Regal-
facher, Sacke. Ausgangs des Mittelalters durchsticht man wohl auch die Schrift
stücke in ihrer Mitte und schnürt sie an einem Faden auf. Aber alles dieses
sind doch Mittel, die eine nur geringe Menge von Schriftstücken zu organi-
sieren erlauben. In der Hauptsache bleibt dieses Verfahren auf die hochwer-
tigen Besitzurkunden, Privilegiën und Vertrage beschrankt, die man in sichere
Verwahrung bringen muss, ebenso wie man die gleichen Papiere auch heut in
den Tresor legt. Dieses Schriftgut fiihrt fernab von den Kanzleien zusammen
mit andern Pretiosen am sicheren Ort im Turm oder an geweihter Statte in
einer Kirche oder Abtei als „Schatzarchiv" sein stilles Dasein. Für die Orga-
P Onderwerp.
2) Zaak, het geval.
3) Sie liegen dem Rubriekstelsel zu Grunde.
Dossierstelsel.
5) Die hollandischen „Verzameldossiers" scheinen mit diesen kleinen Betreff
serien nicht vergleichbaar, weil sie die Einzelsachen jeweils zusammenfassen unter
Durchbrechung der rein chronologischen Reihung.
(i) Vorm van de stukken.
T) Pergament, Papier.
nisation des Schriftgutes in den Kanzleien ist es zumeist ohne Belang, hat oft
kaum mit ihm Verbindung und untersteht der Aufsicht des Tresoriers, der mit
der Kanzlei nichts zu tun hat.
Das aus Pergamentblattern gebildete B u c h ist das einzige brauchbare
Organisationsmittel jener Zeit. In ein solches Buch, in dem man leicht etwas
nachschlagen und aus dem nichts verloren gehen kann, tragt man alles das
ein, was für die Kanzlei wichtig zu wissen ist, die Texte, die sie braucht, um
ihre Tatigkeit ausüben zu können.
Am Anfang stand das „Mischbuch". Ein buntes Nebeneinander von Ein-
tragen findet sich da: etwa Abschriften von empfangenen Privilegiën, Proto-
kolle von Beschlüssen, Texte von Rezessen, Statuten, Abrechnungen, Notizen
urbarialer Art iiber zustehende Zinseinnahmen, Abschriften von Konzepten und
Formeln für deren Abfassung. Das Mischbuch hat in seiner Zeit gute Dienste
geleistet. Absprechende Beurteilungen durch Historiker unserer Tage beweisen
nur mangelndes Verstandnis für die Möglichkeiten jener Zeit. Einen Nach-
teil hatte so ein Buch bestimmt: man musste alles, was man verwahren wollte,
abschreiben: selbst die Eingange, die man empfangen und in Handen hatte,
ebenso wie die Ausgange, es sei denn. man trug die Konzepte unmittelbar lesbar
ein. Die alten Notare verstanden das in ihren Protokollen zu tun.
Dem Durcheinander im Buch suchte man wohl zu begegnen, in dem man
von vorn und von hinten zugleich anfing, auch wohl in der Mitte; nach den
eingangs genannten Ordnungsprinzipien wird der Stoff aufgespalten und ent-
sprechend verteilt. Eine „innere Serienspaltung". wie ich sagen möchte, hat
stattgefunden.
Diese innere Serienspaltung geht einem zweiten Typ dieser Amtsbuchfüh-
rung voraus, der die Serienspaltung auch ausserlich in Erscheinung treten lasst,
indem für jede der gebildeten Gruppen ein besonderes Buch angelegt wird.
1st ein Buch gefüllt, so wird ein weiteres für den gleichen Zweck eingesetzt,
und es können so nebeneinander lange Serien von Amtsbüchern entstehen.
Nicht alle diese Amtsbuchserien müssen nun durch diese (aussere) Serien
spaltung entstanden sein, namlich dass ihre Anfange in ein Mischbuch zurück-
reichen, aus dem sie abgespalten waren. Viele Serien entstehen auch aus
eigener Wurzel, weil man vorher keine Veranlassung fand, die betreffende
Funktion zu dokumentieren, oder weil diese Funktion überhaupt erst neu ge-
schaffen wurde.
Ein abweichendes Verfahren lasst es nicht zu langen Serien kommen,
sondern nimmt jeweils am Jahresanfang, gestützt auf die Erfahrungen des
abgelaufenen Jahres, eine Neuverteilung, eine „jahrweise Serienspaltung" vor.
Besonders in den spateren Serienakten, die die Amtsbiichcr ablösen, ist dies
Verfahren beliebt, wie neuzeitliche Beispiele aus Frankreich, Italien und Hol
land erweisen.
In den mittelalterlichen Kanzleien, besonders der grossen Stadte,
bevorzugt man zumeist die Fortführung einmal gebildeter Amtsbuch
serien. Dutzende, ja hunderte Serien entstehen so nebeneinander und laufen
in Reihen von oft hunderten, ia zuweilen tausenden von Banden parallel fort.
Sehen wir vom Schatzarchiv ab, so war nur das, was im Amtsbuch Aufnahme
fand, gesichert und organisiert.
Den grossen Wandel ftihrte eine technische Erfindung herbei: die des
Papiers. Noch lange verhindert allerdings die Traditionshemmung die