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tischen Aktenplanes seinen Ausdruck fand. Voraussetzung fiir die Verteilung
der Schriftstukke nach diesem Betreffprinzip war, dass sie eben nur einen Be-
treff enthielten. Denn wohin sollte man ein Schriftstück ablegen, das etwa
drei, vier oder fünf Betreffe abhandelte, wie es in der Amtsbuch- und Serien-
aktenregistratur haufig vorkam? Demzufolge musste 1652 eine Verfiigung
ergehen, die allen Dienststellen bei Strafe auftrug, fortan in den amtlichen
Berichten jeweils nur einen Betreff zu behandeln, und wenn mehrere vorlagen,
entsprechend viele Schreiben oder besondere Postscripta aufzusetzen. Anfang
des 18. Jahrh. finden wir dann im Berliner Generaldirektorium das Sachakten-
Registratur-System11) bereits voll ausgestaltet. Es werden jetzt bereits in
Mehrzahl Einzei-Sachakten gebildet, die nur jeweils einen geschaftsmassigen
Zusammenhang enthalten. Ein ausgezeichnetes, aber auch gefahrliches Mittel
des Dirigismus ist damit geschaffen, das auch spaterhin noch in dessen Sinne
immer wieder verwandt werden sollte.
Die grosse Zahl von einzelnen Akten, die auf Grund dieses Betreffprinzipes
gebildet werden musste, insbesondere, wenn man Betreffserien vermied und
nur einzelne geschaftsmassige Zusammenhange, also Einzei-Sachakten bildete,
erforderte sehr bald ein umfassendes Verzeichnis. Es genügt nicht, diese grosse
Menge in einer Liste zu verzeichnen, wie es noch in Oesterreich bei den den
Serienakten entnommenen „Selekten" gelingen mochte, vielmehr bedarf es
einer Klassifikation, eines Aktenplanes, um nunmehr die einzelnen Sachakten
auffinden zu können. In mehreren Etappen hat sich die Klassifikation, die
Herausbildung der Sachaktenplane entwickelt. Zuerst versuchte man die Akten
unmittelbar in irgend einer Folge zu verzeichnen. Drei verschiedene Typen las
sen sich bei dieser Methode un.terscheiden: 1) die Liste, 2) die Reihung nach
logischem Gefalle, und 3) die mechanische Reihung nach dem Alphabet der
Stichworte der Akten. In einer zweiten Entwicklungsphase bediente man sich
der GruppenbildungEs werden jeweils mehrere Akten zu einer Gruppe unter
einem gemeinsamen Titel zusammengefasst. Wieder gibt es drei Typen, die
nun sich dieser Grappen bedienen, um die Klassifikation daraus zu bauen. Der
bekannteste und wohl auch heut noch von Archivaren bei Ordnungsarbeiten
benutzte Typus ist der, der eine mechanische Reihung der Gruppentitel nach
dem Alphabet, d.h. nach den Anfangsbuchstaben ihrer Stichworte vornimmt.
Diese Ordnung nach dem Stichwortalphabet ist zwar leicht herzustellen, hat
aber schwer wiegende Mangel. Die abschliessende Stufe wird mit dem
nachsten Entwicklungsgange erreicht. Man baut jetzt Grappen von Akten-
gruppen, und derjenige der etwas in dieser Registratur suchen soil, ist genötigt
mit Hilfe der sich ergebenden Systematik jedesmal von Gruppe zu Gruppe zu
wahlen, welcher Titel ihm recht erscheint, um dann in der Untergruppe erneut
diese Wahl zu treffen. Diese Technik der Wahl ist der abschliessende Klassi-
fikationsmodus der alten Sachaktenregistratur geworden. Man kann inner-
halb dieses Modus noch zwei verschiedene Typen unterscheiden, der eine ist
halbsystematisch angelegt, indem topographische Betreffe in eine der Gruppen-
schichten eingebaut sind. Es gibt mehrere Varianten des Typus. Sie zeigen,
wie beliebt er einst war. Der andere Typus verzichtet auf jeden Einbau der
topographischen Betreffe, so bequem sie auch zu handhaben sein mögen, und
ist nun vollsystematisch zu nennen; er kennt nur noch Sachbetreffe. Auch da
1X) Dossierstelsel, sofern man von den wenigen Betreffserien absehen will.
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gibt es wiederum verschiedene Varianten, die eine belegt alle Gruppenstufen
der Klassifikation mit Akten, die andere (in unvermeidbarem Verstoss gegen
die Logik) nur die unterste mit solchen, namlich die sogenannte Aktenstufe.
Eine grosse Zahl weiterer Varianten entsteht durch die verschiedenen Arten
der Signaturmethoden. Dieser Typus der Wahl, besonders der der vollsyste-
matischen Klassifikation ohne topographische Betreffe, ist der der klassischen
preussisch-deutschen Sachaktenregistratur, die ihre höchste Kunst in den Jahren
18001850 entwickelt hat. Damals gab es wirkliche Meister des Aktenplans.
Diese Kunst machte nun bald in ganz Norddeutschland Schule, sie breitete
sich schon im 18. Jahrh. aus, drang auch in Danemark vor, das im übrigen bei
seinem Serientyp verbleibt, aber der Süden Deutschlands verhalt sich lange
ablehnend. So kann noch Mitte des 18. Jahrh. in Fulda das Schriftgut der
fürstabtlichen Kammer nach Amtsbuch- und Serienaktentyp neu organisiert
werden! Die spate Auswirkung auf die aus den Serienakten erhobenen Sach-
aktenansatze in der oesterreichischen Aktenführung lernten wir kennen. In
Holland wird das preussisch-deutsche Sachaktensystem - damals schon 200
Jahre alt zuerst 1904 durch den Sekretar von Zaandam Zaalberg eingeführt.
Er hat seine deutschen Muster (Holtzinger u.a.) selbst genannt. In England
vermochte ich Einflüsse der deutschen Sachaktenregistratur fiir den Anfang
des 20. Jahrhunderts festzustellen.
Die Sachaktenregistratur erfasst die Gesamtdokumentation einer Behörde,
aufgeteilt nach den einzelnen Sachbetreffen. Sie bietet damit in der Summe
ihrer im Aktenplan aufgeführten Betreffe einen Spiegel der Kompetenz der
Dienststelle, deren Schriftgut verwaltet wird. Wir erinnern uns, dass die
Serienregistratur nicht diese Möglichkeit besitzt, dass sie immer einen mehr
oder weniger grossen Teil Schriftgutes mitschleppt, das sie nicht zu organi-
sieren imstande ist. Der klassische Sachaktenplan weist durch die Logik der
Systematik des Plans jedem Aktentitel einen genau begrenzten Bereich an.
Ein Aktenplan, der in dieser Weise verfahrt, weist der Akteneinheit ihren
Inhalt viel genauer und viel zuverlassiger zu, als es jemals ein noch so sorg-
faltig formulierter Aktentitel allein tun könnte.
Das Geschaftstagebuch12) wird in der klassischen Sachaktenregistratur ein
wichtiges Hilfsmittel. Wir horten eben, wie genau die Logik des Altenplans
die Auffindung nach dem Betreff ermöglicht. Das Tagebucb gestattet die Auf-
findung der einzelnen Schriftstücke auch nach dem chronologischen Prinzip.
Und der alphabetische Index des Geschaftstagebuches, der die Einsenaernamen
enthalt, ermöglicht eine Auffindung der Schriftstücke auch nach dem dritten,
dem Korrespondenzprinzip, d.h. den Namen der Korrespondenz-Partner. Die
ses dreifache und geradezu ideal zu nennende Findsystem arbeitet also nach
allen drei grossen Ordnungs- und Findprinzipien; es ist bis heute unübertroffen
geblieben in der Welt. Auch die weiteren Funktionen des Geschaftstagebuches
sind sehr wertvolle: es ermöglicht eine zuverlassige Uebersicht über den Ge-
schaftsbetrieb. Die Zahl der im Jahr eingetragenen Schriftstücke erweist, wie-
viel Geschafte zu erledigen waren; man kann das Anschwellen oder das Ab-
sinken von Jahr zu Jahr kontrollieren, man kann aber auch innerhalb des Jahres
monatsweise Konjunkturzeiten herauslesen und entsprechend Urlaub und Per-
sonalpolitik regeln. Erheblichen Wert hat das Geschaftstagebuch auch immer
12) Indicateur oder Agenda.