34 werden in aller erster Linie die privaten Ausserungen des Volkes gesammelt. In einer Denkschrift vom 25.1.1921 wies Direkter Dr. Müsebeck darauf hin, dasz die amtlichen Akten allein kein erschöpfendes objektives Bild von den wirklichen Ereignissen und Zustanden Deutsch- lands wahrend des Weltkrieges gebennotwendig sei dazu die Erganzung durch private Aufzeichnungen, ein Grundsatz, den er als guitig „für die moderne Geschichte überhaupt hinstellte. Er beschritt bewuszt den Weg, das Reichsarchiv nicht nur als Sammelstelle für die Quellen von groszen Haupt-und Staatsaktionen auszubauen, sondern ihm die Quellen für die Erfassung der letzten und feinsten Seelen- regungen des deutschen Volkes zu erschlieszen. Von dem Gedanken erfüllt, dasz keine Geschichte eines Staates heute mehr denkbar sei ohne 'die Geschichte seines Volkes, betonte Müsebeck mit aller Dringlichkeit, dasz das Reichsarchiv Quellen sammeln müsse fur die Geschichte der „Nation als des Tragers des Staates und des Reiches. Damit schreitet das Reichsarchiv bewuszt über den Rahmen der bisherigen Archive hinaus. Es ist das bleibende Verdienst des Direktors Dr. Müsebeck, dasz er neben dem systematischen Aufbau des Reichs- archivs, wodurch die geschichtliche Einheit für den Staat der Gegenwart zusammengefaszt und lebendig gemacht wird, die Sammlung des privaten Quellenmaterials für die Geschichte des Volkes als des Tragers des Staatsgedankens in die Wege geleitet, dasz er mit diesen beiden Aufgaben das Reichsarchiv zu einem Nationalarchiv gestaltet hat. Die Abteilung B ist mit der Darstellung des militarischen Verlaufs des Weltkrieges beauftragt. Sie steht unter der Leitung des Direktors Generalmajor a. D. Von Haeften und umfaszt auszer diesem 26 hohere, 2 mittlere und 1 unteren Beamten. Sie ist ebenfalls wie die Abteilung A in Referate eingeteilt, die sich jedoch ie nach den verschiedenen Einzelthemen im Laufe des Fortschreitens der Arbeit andern. Ueber das bei der Darstellung des Weltkriegswerkes angewandte Arbeits- verfahren seien die darauf bezüglichen Worte aus dem Vorwort des Weltkriegswerkes hier wiedergegeben„Auf grund der vorhandenen AktenbestHnde wurden zunüchst breit angelegte Sichtungs- und Forschungsarbeiten gefertigt, die oft bis auf die Aufzeichnungen kleinster Truppenverbande zurückgreifen muszten. Diese Forschungs arbeiten wurden einer eingehenden Prüfung unterzogen, Widersprüche und Lücken festgestellt. Unter Heranziehung der Kriegsliteratur, der Auskünfte von privaten Persönlichkeiten und amtlichen Stellen wurde 1) Naheres darüber siehe in dem Aufsatz von Dr E. MiiSEBCEK Die nationalen Kulturaufgaben des Reichsarchivs" (Zeitschrift fur Pol,t.k und Geschiche N™ 924, S 393; auch als Einzelschrift erschienenX - Vgl. Ned. Archievenblad 1924/1X5, biz. 156 (N. v d. R.). 35 sodann ihre Aufklarung und Erganzung veranlaszt. Daraus erwuchsen nach und nach in sich abgeschlossene Einzelstudien. Ihre Ergebnisse wurden unter Ausscheidung alles Nebensachlichen in knappe, über- sichtliche Form gebracht und in engem Zusammenwirken der Haupt- bearbeiter zu einer einheitlichen Darstellung bestimmter, zeitlich begrenzter Operationsabschnitte verbunden". Alle diese Arbeiten leitete der Direktor Von Haeften, dem in Anerkennung seiner Leistung die philosophische Fakultat der Unversitat Leipzig im Oktober 1925 das Dr. h.c. verlieh. Die ersten beiden Bande des Weltkriegswerkes, die „Die Grenzschlachten im Westen" und „Die.Befreiung Ostpreuszens" behandeln, sind erschienen. Der dritte und vierte Band, der „Die Marne-Schlacht" und „Die Kampfe im Winter 1914/15 in West und Ost behandeln werden, sollen im Laufe des Jahres 1926 erscheinen. Das ganze Werk ist auf ungefahr zehn Bande und einige Erganzungs- bande berechnet. Für die vom Reichsarchiv herauszugebenden Arbeiten ist bei der Gründung des Archivs eine Historische Kommission ernannt worden, der folgende Personen angehörenStaatssekretar a. D. Dr. Lewald als Vorsitzender, weiter als Mitglieder Reichsauszenminister a. D. Gesandter Dr. Graf Brockdorf-Rantzau, Generalmajor a. D. Von Borries, General d. Inf. a. D. Von Kuhl, der Generaldirektor der Preuszischen Staatsarchive Prof. Kehr und die Universitatsprofessoren Delbrück, Berlin; Meinecke, Berlin; Schumacher, Berlin; Gustav Mayer, Berlin; Oncken, Heidelberg; Schulte, Bonn; Schreiber, Münster; Goetz, Leipzig und Brandenburg, Leipzigsowie der President des Reichsarchivs. Als Erganzungen des groszen Kriegswerkes dienen die „For- schungen und Darstellungen aus dem Reichsarchiv", in welcher Schriftenfolge bisher fiinf liefte erschienen sind, welche bestimmte Fragen behandeln, die in dem knapp zusammengefaszten Weltkriegs- werk keine eingehendere Darstellung finden können. An ihnen arbeiten sowohl Beamte des Reichsarchivs wie auszerhalb desselben stehende Personen. Die einzelnen Arbeiten unterliegen der Begutachtung eines jeweils dafür ernannten Referenten der Historischen Kommission. Auszer diesen Heften kommt als Erganzung noch die Schriftenfolge „Schlachten des Weltkrieges" in betracht, die von einem besonderen Referat bearbeitet wird. Es steht unter der Leitung des Archivrats Soldan und umfaszt auszer ihm 3 hohere und 4 mittlere Beamte. Es sind in der Regel Teilnehmer der verschiedenen Kampfe, die die Darstellung abfassen. In diesen Banden kommen vor allem die pri vaten Aufzeichnungen neben den amtlichen Quellen zur Verarbeitung. Die einzelnen Bande sind illustriert und haben einen groszen Absatz gefunden, der sich auf mehrere Zehntausende für jeden Band beziffert.

Periodiekviewer Koninklijke Vereniging van Archivarissen

Nederlandsch Archievenblad | 1926 | | pagina 23