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werden in aller erster Linie die privaten Ausserungen des Volkes
gesammelt. In einer Denkschrift vom 25.1.1921 wies Direkter Dr.
Müsebeck darauf hin, dasz die amtlichen Akten allein kein erschöpfendes
objektives Bild von den wirklichen Ereignissen und Zustanden Deutsch-
lands wahrend des Weltkrieges gebennotwendig sei dazu die
Erganzung durch private Aufzeichnungen, ein Grundsatz, den er als
guitig „für die moderne Geschichte überhaupt hinstellte. Er beschritt
bewuszt den Weg, das Reichsarchiv nicht nur als Sammelstelle für
die Quellen von groszen Haupt-und Staatsaktionen auszubauen, sondern
ihm die Quellen für die Erfassung der letzten und feinsten Seelen-
regungen des deutschen Volkes zu erschlieszen. Von dem Gedanken
erfüllt, dasz keine Geschichte eines Staates heute mehr denkbar sei
ohne 'die Geschichte seines Volkes, betonte Müsebeck mit aller
Dringlichkeit, dasz das Reichsarchiv Quellen sammeln müsse fur die
Geschichte der „Nation als des Tragers des Staates und des Reiches.
Damit schreitet das Reichsarchiv bewuszt über den Rahmen der
bisherigen Archive hinaus. Es ist das bleibende Verdienst des Direktors
Dr. Müsebeck, dasz er neben dem systematischen Aufbau des Reichs-
archivs, wodurch die geschichtliche Einheit für den Staat der Gegenwart
zusammengefaszt und lebendig gemacht wird, die Sammlung des
privaten Quellenmaterials für die Geschichte des Volkes als des
Tragers des Staatsgedankens in die Wege geleitet, dasz er mit diesen
beiden Aufgaben das Reichsarchiv zu einem Nationalarchiv gestaltet hat.
Die Abteilung B ist mit der Darstellung des militarischen Verlaufs
des Weltkrieges beauftragt. Sie steht unter der Leitung des Direktors
Generalmajor a. D. Von Haeften und umfaszt auszer diesem 26 hohere,
2 mittlere und 1 unteren Beamten. Sie ist ebenfalls wie die Abteilung
A in Referate eingeteilt, die sich jedoch ie nach den verschiedenen
Einzelthemen im Laufe des Fortschreitens der Arbeit andern. Ueber
das bei der Darstellung des Weltkriegswerkes angewandte Arbeits-
verfahren seien die darauf bezüglichen Worte aus dem Vorwort des
Weltkriegswerkes hier wiedergegeben„Auf grund der vorhandenen
AktenbestHnde wurden zunüchst breit angelegte Sichtungs- und
Forschungsarbeiten gefertigt, die oft bis auf die Aufzeichnungen
kleinster Truppenverbande zurückgreifen muszten. Diese Forschungs
arbeiten wurden einer eingehenden Prüfung unterzogen, Widersprüche
und Lücken festgestellt. Unter Heranziehung der Kriegsliteratur, der
Auskünfte von privaten Persönlichkeiten und amtlichen Stellen wurde
1) Naheres darüber siehe in dem Aufsatz von Dr E. MiiSEBCEK Die nationalen
Kulturaufgaben des Reichsarchivs" (Zeitschrift fur Pol,t.k und Geschiche N™ 924,
S 393; auch als Einzelschrift erschienenX - Vgl. Ned. Archievenblad 1924/1X5,
biz. 156 (N. v d. R.).
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sodann ihre Aufklarung und Erganzung veranlaszt. Daraus erwuchsen
nach und nach in sich abgeschlossene Einzelstudien. Ihre Ergebnisse
wurden unter Ausscheidung alles Nebensachlichen in knappe, über-
sichtliche Form gebracht und in engem Zusammenwirken der Haupt-
bearbeiter zu einer einheitlichen Darstellung bestimmter, zeitlich
begrenzter Operationsabschnitte verbunden". Alle diese Arbeiten
leitete der Direktor Von Haeften, dem in Anerkennung seiner Leistung
die philosophische Fakultat der Unversitat Leipzig im Oktober 1925
das Dr. h.c. verlieh. Die ersten beiden Bande des Weltkriegswerkes,
die „Die Grenzschlachten im Westen" und „Die.Befreiung Ostpreuszens"
behandeln, sind erschienen. Der dritte und vierte Band, der „Die
Marne-Schlacht" und „Die Kampfe im Winter 1914/15 in West und
Ost behandeln werden, sollen im Laufe des Jahres 1926 erscheinen.
Das ganze Werk ist auf ungefahr zehn Bande und einige Erganzungs-
bande berechnet.
Für die vom Reichsarchiv herauszugebenden Arbeiten ist bei
der Gründung des Archivs eine Historische Kommission ernannt
worden, der folgende Personen angehörenStaatssekretar a. D.
Dr. Lewald als Vorsitzender, weiter als Mitglieder Reichsauszenminister
a. D. Gesandter Dr. Graf Brockdorf-Rantzau, Generalmajor a. D.
Von Borries, General d. Inf. a. D. Von Kuhl, der Generaldirektor der
Preuszischen Staatsarchive Prof. Kehr und die Universitatsprofessoren
Delbrück, Berlin; Meinecke, Berlin; Schumacher, Berlin; Gustav Mayer,
Berlin; Oncken, Heidelberg; Schulte, Bonn; Schreiber, Münster; Goetz,
Leipzig und Brandenburg, Leipzigsowie der President des Reichsarchivs.
Als Erganzungen des groszen Kriegswerkes dienen die „For-
schungen und Darstellungen aus dem Reichsarchiv", in welcher
Schriftenfolge bisher fiinf liefte erschienen sind, welche bestimmte
Fragen behandeln, die in dem knapp zusammengefaszten Weltkriegs-
werk keine eingehendere Darstellung finden können. An ihnen arbeiten
sowohl Beamte des Reichsarchivs wie auszerhalb desselben stehende
Personen. Die einzelnen Arbeiten unterliegen der Begutachtung eines
jeweils dafür ernannten Referenten der Historischen Kommission.
Auszer diesen Heften kommt als Erganzung noch die Schriftenfolge
„Schlachten des Weltkrieges" in betracht, die von einem besonderen
Referat bearbeitet wird. Es steht unter der Leitung des Archivrats
Soldan und umfaszt auszer ihm 3 hohere und 4 mittlere Beamte. Es
sind in der Regel Teilnehmer der verschiedenen Kampfe, die die
Darstellung abfassen. In diesen Banden kommen vor allem die pri
vaten Aufzeichnungen neben den amtlichen Quellen zur Verarbeitung.
Die einzelnen Bande sind illustriert und haben einen groszen Absatz
gefunden, der sich auf mehrere Zehntausende für jeden Band beziffert.